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postheadericonTausche Arbeit gegen Lebensqualität

Publiziert am 8 Oktober, 2012 unter Erfolgsgeschichten
Gute Nachrichten

Heike X. ist gelernte Steuerfachwirtin aus Schwaben. Ein Beruf in dem es viel um Zahlen und Gesetze geht, also um trockene Materie. Ein Beruf, der viel von einem abverlangt, denn die Steuergesetzgebung in Deutschland ist mit Abstand die komplizierteste weltweit, außerdem trägt man bei dieser Tätigkeit eine hohe Verantwortung gegenüber seinen Mandanten.

Heike nahm sich eine Auszeit vom Job und hat in Österreich sechs Wochen lang Wandergruppen begleitet. Den Arbeitsplatz in der Steuerkanzlei hat sie aufgegeben. Im kommenden Winter wird sie als Skireiseleiterin in den Alpen unterwegs sein. Sie wird dafür bezahlt, verdient jedoch weniger als im Job vorher. “Mein Leben soll künftig an erster Stelle stehen”, betont sie.
Ohne dass es ihr bewusst war, folgt sie damit einem gesellschaftlichen Trend, nämlich dem Prinzip Downshifting, den der Wirtschaftswissenschaftler Charles B. Handy in den neunziger Jahren in den USA geprägt hat. Frei übersetzt könnte Downshifting “runterschalten” bedeuten, es gibt hierfür keinen deutschen Begriff. Es bedeutet, dass man sich beruflich verändert, um ein neues, erfüllteres Leben zu führen. Es geht einfach darum, mehr Zeit für sich selbst zu haben und weniger Geschäftstermine.

Frau X. arbeitete bis vor zwei Jahren in Vollzeit und machte Buchhaltungen und Jahresabschlüsse für Firmen und Selbständige. Sie war lange Zeit davon überzeugt, dass der von ihr eingeschlagene Berufsweg von der Steuerfachangestellten bis hin zur Steuerfachwirtin und Bilanzbuchhalterin der richtige war.
Doch sie wurde zunehmend unglücklich in ihrem Job. “Ich wollte nicht mehr den ganzen Tag vor dem Rechner sitzen. Ich wollte mehr persönlichen Kontakt zu den Menschen, auch öfter draußen sein, mich körperlich mehr betätigen.” In ihrer Freizeit macht sie gerne Radtouren und im Winter fährt sie leidenschaftlich gerne Ski. Weiterhin hatte sie den Eindruck “es herrscht oft so eine deprimierte Stimmung in Deutschland.”
Im Jahr 2010 jobbt sie in ihrem dreiwöchigen Sommerurlaub bei einem Reiseveranstalter. Sie arbeitet in einem Sporthotel in Österreich als Küchenhilfe und im Service. Dort arbeiten, wo andere Urlaub machen und dabei Zeit zu haben, die Berge zu genießen, sich sportlich zu betätigen und Leute kennenzulernen – das war genau das, was sie wollte.

Sie suchte sich eine Steuerkanzlei, die sich auf ihren Teilzeitjob einlässt: acht Monate im Jahr in Vollzeit arbeiten und dafür zwölf Monate ein reduziertes Gehalt bekommen. So kann Heike zweimal im Jahr, im Sommer und im Winter, in ihre geliebten Berge zum Wandern und Skifahren, bleibt aber ganzjährig angestellt und versichert.
Einerseits verzichtet sie auf ein Viertel ihres Einkommens, andererseits erhält sie in den Bergen für ihre Arbeit einen kleinen Lohn, freie Kost und Logis und einen kostenlosen Skipass.

Heike X. ist der lebende Beweis dafür, dass die Höhe des Gehaltes, das man Monat für Monat aufs Konto überwiesen bekommt nicht entscheidend für die Lebensqualität und die Zufriedenheit des Menschen ist. Viel wichtiger ist es, dass man das tun kann, wozu man echte Freude hat und wozu man sich berufen fühlt. Denn “Beruf” kommt von “berufen”, man sollte sich das immer vor Augen halten.

Weitere Fotos vom Originalbeitrag findet ihr hier.

 

Quelle: spiegel.de