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postheadericonMikrofarmen: Nachhaltige Landwirtschaft ist klein aber oho

Publiziert am 22 April, 2024 unter Wirtschaft
Andreas Monning

Wollten Sarah Knapp und Orpheas Fischer einen Ausritt über ihr Farmland machen, wären sie kaum im Sattel, da müssten sie schon wieder absitzen. Die beiden gehören zur neuen Bewegung der so genannten Mikrofarmer, die durchschnittlich weniger als einen Hektar Land (ha = 10.000 Quadratmeter) bewirtschaften. Während diese Form der Landwirtschaft in Länden wie Kanada, den USA und Japan weit verbreitet ist, kommt sie erst heute in Europa an und findet mittlerweile auch bei uns Anhänger.

Zwei Hände, die mit Erde bedeckt sind und ein Beet bearbeiten

Foto von Sandie Clarke auf Unsplash

 

Sarah und Orpheas gehören zu den Pionieren der deutschen Mikrofarmer-Szene. Das junge Paar, das sich an einer Landwirtschafts-Uni kennen gelernt hat, bewirtschaften in Kirchheim-Burlanden südlich von Mainz eine von rund 500 deutschen Mikrofarmen. Auf grade einmal 2500 Quadratmetern Land bauen die beiden Gemüse an, und das läuft ziemlich gut: Mit unspektakulären aber gefragten Erzeugnissen wie Möhren, Tomaten und Salat erwirtschaften Sarah und Orpheus rund 120.000 Euro Umsatz im Jahr – und haben damit nach eigenen Aussagen ein gutes Auskommen.

Klingt spielerisch leicht, aber natürlich ist auch im Mikrofarming aller Anfang schwer. Viele enthusiastische Neueinsteiger bringen zwar das Geld für ein kleines Stück Ackerland auf, haben zu Beginn aber keine Ahnung von Gemüseanbau und praktisch unendlich viel zu lernen. Diese Herausforderung hat auch das Start-up der ganz anderen Art „Tiny Farms“ gesehen: Die Tiny Farms Academy bringt Einsteigern mit einem ganzheitlichen Lernprogramm aus Theorie und viel Praxis in nur einer Saison alle gärtnerischen und organisatorischen Grundlagen bei, um als Teil der Bewegung und des Netzwerks bioregionales Gemüse zu produzieren.

Neben einer guten Dosis Idealismus braucht es dann noch einen kühlen Kopf, der gut rechnen kann, um auf der kleine Fläche effizient zu wirtschaften. Um die zu unterstützen, denen das Planen und Rechnen nicht so liegt, haben findige Mikrofarmer der ersten Generation eine Gemüse-Anbauplaner Software entwickelt. Die ermöglicht die gesamte Gemüse-Anbauplanung der neuen Gärtnerei oder Solidarischen Landwirtschaft, die Steuerung der Betriebsabläufe sowie die Dokumentation der Arbeit (https://www.micro-farm-planner.com/de/). Und auch hier hat die Politik die Bedeutung erkannt und den Softwareentwicklern mit einer Förderung unter die Arme gegriffen.

Weil Mikrofarmer das meiste in Handarbeit machen und mit minimalem Einsatz von auch nur relativ kleinen Maschinen auskommen, vorwiegend ökologisch anbauen und kaum oder sogar keine Chemie einsetzen, sind diese Kleinstbetriebe so effizient wie nachhaltig und gelten als die Landwirtschaft der Zukunft. Das ist wie gesagt auch in der Politik angekommen. Das Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) fördert Mikrofarmen als Betriebe, die in moderne Technologien investieren, um mehr Klima-, Natur- und Umweltschutz zu erreichen. (https://www.bmel.de/SharedDocs/FAQs/DE/faq-investitionsprogramm-landwirtschaft/FAQList.html).

Dank der verschiedenen Förderungen entwickelt sich die deutsche Szene gut und probiert auch neue Formen aus. Im Berliner Umland beispielsweise betreiben Christoph und Jakob eine Mikrofarm der ganz besonderen Art: Mit ihrem Projekt betonen sie neben der ökologischen auch die soziale Nachhaltigkeit. Sie bieten Menschen aus der Stadt die Gelegenheit ganz ohne Ausbildung bei der Gemüseproduktion mitzuwirken und hautnah kennenzulernen, wie das Ganze funktioniert, wie es ist Gärtner zu sein und was alles dazu gehört, bis ein Kopfsalat im Supermarkt liegt oder an eine Kantine ausgeliefert werden kann (Wir stehen drauf – „tiny farms – Neue Wege in die Landwirtschaft“).

 

 

Ein herausragendes Projekt hat auch Mikrofarmer Lukas aus Ingelsberg aufgebaut. Er wuchs zwar auf dem Hof seines Großvaters auf, wollte selber aber nie Landwirt werden. Erst nach einer Lehre zum Mechatroniker begann er das Landleben zu vermissen – und wurde wie viele Mikrofarmer Quereinsteiger. Den Start erleichterte ihm ererbtes Land im Familienbesitz, das ihm auch gleich ein finanzielles Standbein bescherte: Er konnte Parzellen an andere Mikrofarmer verpachten und ihnen Dienstleistungen wie die Bodenbereitung ihrer Parzellen verkaufen.

Es ist ein engagiertes Projekt. Neben hunderten von Pflanzenarten in seinem Garten hat Lukas eine Streuobstwiese mit ausgesucht alten Sorten von Äpfeln und Birnen über Zwetschgen und Mirabellen bis Kirschen und Walnüssen angelegt, die er unter anderem mit Baumpatenschaften finanziert (Heimatgeschichten – Auf der Mikrofarm in Ingelsberg).

 

 

Wer sich etwas näher mit dem Thema Mikrofarmen beschäftigt erkennt: Das Phänomen lebt von einem guten Zugang zu Informationen und gelungenem Networking. Der Netzwerkknoten für alle aktiven und interessierten Menschen im Bereich des Market Gardening, des biointensiven Gemüsebaus und weiterer Konzepte kleinstrukturierter Formen der Landwirtschaft (Mikrofarming) wie die solidarische Landwirtschaft ist die „Marktgarten & Mikrofarming Konferenz“. (https://diezukunftsbauern.de/event/marktgarten_mikrofarming_konferenz/)

Auch auf der Mikrofarming Konferenz 2022 haben viele tolle engagierte Leute ihre Konzepte und Betriebe vorgestellt und ihre Erfahrungen geteilt. Darunter waren diese beiden jungen Frauen: Sie haben klein angefangen, sind langsam gewachsen und haben sich zuletzt wieder verkleinert als sie gemerkt haben, dass sie die aktuelle Größe überfordert. Ihr Bericht ist ein gutes Beispiel, um ein Gefühl zu bekommen, welchen Herausforderungen man beim Mikrofarming bzw. Market Gardening begegnet und wie man gelungen damit umgehen kann.